Umparken im Kopf

Vor einigen Jahren machte Opel mit dem Spruch «Umparken im Kopf» Werbung. Dieser Slogan passt zu einer modernen Verkehrspolitik wie die Faust aufs Auge. Der Raum muss neu geordnet werden. Bislang stand das Auto im Fokus der Planung. Das ändert sich. In ganz Europa gibt es immer mehr Projekte, die von den schwächsten Verkehrsteilnehmenden aus planen. In Bremen soll das Zentrum bis 2030 autofrei werden. In Paris plant Bürgermeisterin Anne Hidalgo den motorisierten Individualverkehr in der Innenstadt massiv zu verringern. Beispielsweise soll die Ringautobahn zu einem normalen Boulevard umfunktioniert werden, bei der nur noch eine Spur für Autos zur Verfügung steht. Oslo will die Emissionen um 95% senken und hat dafür sogar ein eigenes Klimabudget eingeführt. Das Zentrum der spanischen Stadt Pontevedera ist seit 20 Jahren quasi autofrei. Es ist nur für wenige Anwohnende, den ÖV und den Lieferverkehr befahrbar. Vortritt haben immer Fussgängerinnen und Fussgänger, dann die Velos, danach der verbleibende Autoverkehr.
All diese Projekte haben eines gemeinsam: Den Widerstand. Das Gewerbe sorgt sich um die Erreichbarkeit der Geschäfte, PendlerInnen fürchten um ihre Abkürzungen und mehr Verkehr auf den verbleibenden Strassen. Doch es gibt eine weitere Gemeinsamkeit: Fast immer lösen sich die Bedenken in Luft auf. Insbesondere die Sorge um den Umsatz erweist sich als unnötig. Es gibt mittlerweile diverse Studien, die aufzeigen, dass die Geschäfte in autofreien Zonen profitieren. Noch einmal das Langzeitbeispiel Pontevedera: die Umsätze in der Innenstadt steigen, die CO2-Emissionen gingen um 70 Prozent zurück und seit Jahren gab es in der Innenstadt keine Verkehrstoten mehr.
Natürlich: Die Auswirkungen von autofreien Zonen müssen geprüft und es muss allenfalls im Nachhinein justiert werden. Und es braucht Begleitmassnahmen. In Bremen soll beispielsweise der ÖV verbilligt und ausgebaut werden. Zudem sollen Fahrradbrücken gebaut werden. In Oslo wurden Parkplätze im Stadtzentrum entfernt und in Paris sollen elektrische Shuttlebusse unterstützen. Wenn wir die Stadt attraktiver machen wollen, braucht es derzeit aber vor allem eines: ein umparken im Kopf. Die meisten Leute meinen den Autoverkehr, wenn sie von Verkehr sprechen. Doch er umfasst mehr: Auch der Fuss-, der Velo- und der Busverkehr gehören dazu. Es braucht einen umfassenden Einbezug aller Verkehrsteilnehmenden. Rücken wir die Menschen ins Zentrum der Planung und geben wir ihnen die Stadt zurück!

Erschienen am 16. Dezember 2019 im Bieler Tagblatt

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