Für uns alle

Stellen Sie sich vor: Sie hatten eine glückliche Kindheit, nach dem Studium haben Sie eine Arbeit gefunden. Sie können reisen, nehmen am kulturellen Leben in Ihrer Stadt teil, können manchmal auch auswärts zu essen. Es fehlt Ihnen an nichts. Doch plötzlich ändert sich alles. Ihre Schwester stirbt aus unerklärlichen Gründen. Sie beginnen zu recherchieren. Schnell wird Ihnen deutlich gemacht, dass diese Nachforschungen nicht erwünscht sind und sie sofort damit aufhören sollen. Danach wird alles noch viel schlimmer. Auch ihr Ehepartner wird brutal eingeschüchtert und sieht sich zur Flucht gezwungen. Gemeinsam verlassen Sie Ihre Heimat und gehen in ein fremdes Land. Sie versuchen trotz aller Widrigkeiten ein neues Leben aufzubauen, sich zu integrieren. Ihre drei Kinder kommen zur Welt. Doch nach acht Jahren wird entschieden, dass Sie und Ihre Familie nicht in dem Land bleiben dürfen. Das trifft Sie hart. In Ihrem Herkunftsland sind sie weiterhin grossen Gefahren ausgesetzt. Nun werden Sie auch noch darüber informiert, dass Sie und Ihre Familie nicht in die gleichen Länder ausgeschafft werden. Ihre Familie droht zerrissen zu werden.
Was wie der Klappentext eines Thrillers tönt, ist Realität für die Bieler Familie Safaryan-Mikayelyan. Der Vater soll mit den beiden älteren Kindern nach Kasachstan, die Mutter mit dem jüngsten Kind nach Armenien ausgeschafft werden. Dieses Schicksal hat viele Bielerinnen und Bieler in den letzten Wochen getroffen, so auch mich. Diese Geschichte tönt nicht nur unmenschlich, sie ist es auch. Sie verstösst gegen Menschen-, Familien- und Kinderrecht! Und sie ist leider kein Einzelfall.
Kanton Baselland: Eine syrische Familie flüchtete via Balkanroute in die Schweiz. Eigentlich wollte sie nach Tunesien, wurde dort aber abgewiesen. Nun soll die Familie genau dorthin ausgeschafft werden. Für den Bund ist Tunesien ein sicheres Land. Doch für die zum Christentum konvertierten Syrer ist es das nicht. Die Familie fürchtet die Rache ihrer konservativ islamischen Verwandtschaft. Den beiden Kindern drohen in der Schule Mobbing und Misshandlungen. Dieses Risiko widerspricht der UN-Kinderrechtskonvention. Nun wurde die zuständige Regierungsrätin aktiv. Sie wird beim Bund ein Härtefallgesuch einreichen.
Dem Bieler Gemeinderat steht die gleiche Türe offen. Er kann sich für die Familie einsetzen und ihnen ein menschenwürdiges Leben hier in Biel ermöglichen. Menschen aus den verschiedensten Ecken wurden aktiv und fordern genau das. Die Solidarität mit der Familie Safaryan-Mikayelyan ist enorm. Das gibt Mut, Hoffnung und Kraft! Ich hoffe sehr, dass diese Bemühungen belohnt werden. Nicht nur für diese Familie, sondern auch für alle anderen. Und auch für sie müssen wir kämpfen. Denn: Die Menschenrechte gelten für uns alle!

Kolumne erschienen im Bieler Tagblatt vom 27.1.2020

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